Am 22.08.2019 verstarb Ludwig Graßler nach schwerer Krankheit in Waldram im Alter von 94 Jahren. Es trauern um ihn seine Lebensgefährtin Elisabeth und seine Familie und Freunde. Für uns im Freundeskreis München-Venedig war der Begründer des Traumpfads ein guter Freund, Mentor und Quelle der Inspirationen.
Eva und ich haben Ludwig kennengelernt, nachdem wir selbst den Traumpfad München-Venedig im Jahr 2000 gegangen waren. Damals gab es keine aktuelle Literatur, der Weg war in Gefahr in Vergessenheit zu geraten. Nach unserer Tour schrieben wir einen Wanderbericht und stellten diese Notizen und weitere Informationen ins Internet. Ludwig wurde so auf uns aufmerksam, wir trafen uns und freundeten uns an. Als im Jahr 2002 die Möglichkeit bestand, den Wanderführer neu zu schreiben, bat uns Ludwig, diese Arbeit zu übernehmen. Er war damals Ende 78 und wollte – so sagte er – die Zeit, die ihm noch blieb, lieber auf der Skipiste und in den Bergen verbringen als am Schreitisch. Zeitgleich erschienen dann 2003 sogar zwei Wanderführer, unserer und ein weiterer aus dem Dumont Verlag. München-Venedig und der Traumpfad wurden in der Folge bekannter denn je, zahlreiche Publikationen beschreiben den Weg inzwischen in Deutsch. Englisch und Italienisch. Ludwig arbeitete in all diesen Jahren unermüdlich daran, den Weg noch populärer zu machen und so einen Teil seines Lebenswerks zu erhalten. Auf seinem Programm standen Vorträge, Filme, Treffen mit Tourismusorganisationen und Hüttenwirten sowie natürlich die Wandertreffen am 8.8. am Marienplatz bzw. am 8.11. im Hofbräuhaus.
Diese Treffen waren auch einem anderen, weniger bekannten Teil seines Lebenswerks gewidmet, dem Fernwanderweg München-Prag. Ludwig hatte diese Wanderung beschrieben, nachdem der Fall des Eisernen Vorhangs die Möglichkeit für einen grenzüberschreitenden Weg öffnete. Sein Gedanke als Teilnehmer am 2.Weltkrieg und überzeugter Europäer war, die alten Wege in Europa wieder zu erschließen, Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen und so Frieden und Verständnis zu fördern. Ludwig gelang es auch hier, in den 2000er Jahren zusammen mit unserem Wanderfreund Burkhard Wittek einen Wanderführer neu herauszubringen und so diesen Weg bekannt und begangen zu halten. Der dritte Teil seines Werkes, die Isar-Loisach-Wanderung, ist heute fast in Vergessenheit geraten. Als Rundwanderung von seiner Wahlheimat Wolfratshausen aus entlang von Loisach und Isar führt sie durch die Alpenregion, die Ludwig wie seine Westentasche kannte. Hier ist er zu Hause gewesen. Das waren die Berge, die er am meisten liebte.
Ludwig war einer der bedeutendsten Alpinisten unserer Zeit. Im Gegensatz zu Extrembergsteigern, die am Berg die Grenzen ihres Leistungsvermögens für sich erfahren, bestand Ludwigs alpinistische Leistung darin, anderen den Weg zu weisen, ihre eigenen Grenzen zu erfahren. Oder noch besser gesagt, am Traumpfad erfährt der Einzelne oft, dass die eigenen Grenzen sehr viel weiter gesteckt sind als zunächst gedacht. Diese 28 Tage am Traumpfad haben für viele Menschen eine Tür geöffnet. Man kann mehr als man denkt und braucht viel weniger als man meint. Eine lange Tagesetappe bei schönem Wetter, ein warmes Bett und eine Mahlzeit sind genug, um sich am Abend glücklich zu fühlen. Alltägliches tritt in den Hintergrund. Wir alle, die wir den Traumpfad gegangen sind, verdanken Ludwig diese Erfahrung. Sein Lebenswerk bleibt die Veränderung der Menschen, die Etappe für Etappe zu einem anderen Verständnis von sich selbst und der Welt gewandert sind. Dafür sind wir ihm für immer dankbar.
In den letzten Jahren lag Ludwig vor allem die Gründung eines Freundeskreises von München-Venedig-Wanderern am Herzen. Als Ludwigs Kräfte schließlich nachließen, übernahm sein enger Freund Konrad Fischer den Vorsitz dieses Kreises und kümmerte sich immer öfter und bald ausschließlich um die Organisation von Treffen und Wanderungen. Ludwigs Erbe ist in guten Händen. Wir alle im Freundeskreis sehen uns verpflichtet, es zu bewahren und noch vielen Menschen dabei zu helfen, den Traumpfad selbst zu erleben.
München im August 2019.
Eva-Maria Troidl, Stefan Lenz